Antarktis

1996 – Erster Elektro-Modellflug auf dem Antarktischen Kontinent

Als erstes wird sich jeder fragen, wie kommt jemand auf die Idee, in der Antarktis Modellflug zu betreiben. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen bei München unterhält seit 1991 die deutsche Forschungsstation GARS (German Antarctic Receiving Station) in der Antarktis. Nach dem Aufbau der Station arbeitete ich 10 Jahre lang, jedes Jahr für ungefähr zwei Monate auf dieser Forschungsstation.

Modellflug in der Antarktis

Da ich seit über 20 Jahren begeisterter Modellflieger bin, lag die Idee nicht fern, auch an diesem ungewöhnlichen Ort meinem Hobby nachzugehen. Aber von der Idee bis zur Umsetzung dieses Vorhabens dauerte es über ein Jahr, da sehr langfristig vorausgeplant werden musste. Denn nach der Ankunft gibt es keine Transportmöglichkeit mehr bis zum verlassen der Station. Die Auswahl des Modells und des richtigen Materials war nicht einfach. Ich hatte wenig Hoffnung einen Verbrennungsmotor bei den extremen Minustemperaturen starten zu können, und aus Umweltschutzgründen kam dies auch nicht in Frage.

Für den Transport stand mir nur eine Alukiste zur Verfügung, die eine maximale Länge von 80 cm hat, was die Größe des Modells automatisch beschränkt. Was blieb ist ein kleines zerlegbares Motorflugzeug mit Elektromotor. Ich suchte auf dem Modellbaumarkt nach einem passenden Modell, fand aber auf Anhieb keines, das meinen Ansprüchen genügte. Nach längerem Suchen und Abwägen entschied ich mich für den kleine E-Bingo von Robbe. Ein kleine, solider Hochdecker, der noch nach etwas aussieht. In wenigen Tagen war der Rohbau fertig. Für meinen speziellen Einsatzzweck mussten natürlich einige Veränderungen am Modell vorgenommen werden.

Da der Flügel mit einer Spannweite mit 1200 mm zu groß war, musste er teilbar gebaut werden. Durch diese Änderungen ist der E-Bingo im zerlegten Zustand extrem klein und passt fast in jeden Koffer, will man z.B. an seinem Urlaubsort auf sein geliebtes Hobby nicht verzichten.

Bespannt wurde das Modell mit normaler handelsüblicher Bügelfolie. Allerdings vertrug die Folie die Temperaturschwankung zwischen beheizter Unterkunft und der Außentemperatur nicht. Nach Verlassen der Station bildeten sich extreme Falten, die aber später wieder ausgebügelt werden konnten. Mir war auch klar, dass Kunststoffteile bei extremen Minustemperaturen brüchig werden. Ich testete daher schon zu Hause in der Tiefkühltruhe einige Kunststoffteile auf die Belastbarkeit. Besonders bei kritischen Bauteilen wie den Ruderschahnieren und der Anlenkung sollte man weitgehend auf Kunststoffteile verzichten. Um ein Brechen der Motorhaube und Kunststoff-Fenster zur vermeiden, dürfen diese nicht mit Schrauben befestigt werden. Besser bewährt hat sich hier Klebeband oder Klettverschluss.

Den E-Bingo hatte ich schon in den ersten Tagen nach der Ankunft auf der Station startklar gemacht. Also rein in die Schneestiefel und Thermooverall und raus aus dem Container in die Kälte. Ich ging etwas abseits der Pinguin-Kolonien, um einen geeigneten Startplatz zu suchen. Natürlich wollte ich die putzigen Tierchen nicht erschrecken oder gefährden. Für einen Bodenstart war leider die Oberfläche des Schnees zu holprig. Nach Überprüfung der Fernsteuerung war es nun soweit: Der JUNGFERNFLUG des E-Bingos.

Den Motor auf Vollgas, fünf Schritte anlaufen und mit einem kräftigen Wurf gerade aus in die Luft. Der E-Bingo zog sofort stark nach rechts weg. Ich nahm sofort das Gas weg und konnte das Modell gerade noch abfangen. Mit starkem Gegensteuern versuchte ich erst einmal Sicherheitshöhe zu bekommen, um das Modell zu trimmen. Nach ein paar Schleifen, landete ich auf dem Schnee, was sich als nicht ganz einfach erwies. Ich war heilfroh, dass nichts zu Bruch ging. Dies wäre ja auch ein kurzes Vergnügen gewesen. Nicht ganz einfach ist es, mit dicken Handschuhen zu fliegen, was aber unerlässlich ist, da sonst die Finger in ca. drei bis vier Minuten die ersten Erfrierungserscheinungen zeigen und taub werden. Nach dem Aufwärmen in der mollig warmen Station stellte ich den Motorsturz neu ein und trimmte das Modell nach. Auf ein Neues, beim nächsten Start flog der E-Bingo wie von alleine. Das Modell gewann schnell an Höhe und zog seine Bahnen am Kristall klaren Himmel. Es war ein unbeschreibliches Gefühl (vor allem kalt). An diesem Tag absolvierte ich noch fünf weitere Flüge, den letzten mit schwererem Bruch. Beim letzten Landeanflug hatte ich die Gruppe Pinguine nicht bemerkt, die neugierig näher gekommen waren. Bei meinem Ausweichmanöver verlor ich die Kontrolle und krachte in eine Hartgefrorene Schneewehe. Die vordere Hälfte des Rumpfes war total zerstört. Eine Reparatur vor Ort war nicht mehr möglich, da sich auch die Welle des Motors und der Luftschraube verbogen hatte. Genau diese Teile hatte ich als Ersatz nicht dabei. Das war’s.

Modellflug in der Antarktis ist wirklich ein Erlebnis ( man muss ja nicht immer gleich zu Fuß durchlaufen ), das ich bestimmt nicht vergessen.

Dieser Artikel wurde auch in der Zeitschrift Modell-Flieger des DMFV Ausgabe 11-12/96 veröffentlicht